Zuwanderung in Marl

Band II: Zuwanderung und Religion

Angelika Müller: Nachbetrachtung (gekürzt)

Neben der städtebildenden Kraft der Industrie stellte sich in Marl auch die Vielfalt der Religionen als besonderes Merkmal der Stadtgesellschaft heraus. Im Jahr 2011, dem 75-jährigen Jubiläum der Verleihung des Titels „Stadt“ gab es zehn christliche und zwei islamische Glaubensgemeinschaften. Sie hatten sich durch die Zuwanderung im 20. Jh. angesiedelt.

Am Anfang kamen viele protestantische Gemeinschaften aus Ostpreußen in das katholisch geprägte Marl. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachten Flüchtlinge und Vertriebene, ausländische angeworbene Arbeiter und Aussiedler nach dem Zerfall des Ostblocks ihre religiös-kulturellen Eigenheiten als transportable Identität in die fremde Arbeitswelt mit.

Im Buch werden 13 katholische und neun evangelische Kirchen dargestellt. Heute sind viele entwidmet, entweiht oder in ein Kolumbarium umgewandelt worden. Zwar werden die christlichen Kirchen als Dienstleisterinnen für Andere und für die Eckpunkte im eigenen Leben geschätzt, aber der demografische Rückgang, weniger Taufen, Orientierung am Materiellen, individuelle Sinnsuche und Aufdeckung von Missbrauchsskandalen senken die Zahlen der Mitglieder.

An konkreten Personen und Projekten wird die soziale Arbeit der christlichen Gemeinschaften in Marl deutlich. Sie kamen alle im 20. Jahrhundert nach Marl, in den 1960er Jahren kamen die türkischen Arbeitsmigranten hinzu. Frieden unter den Religionen bleibt Voraussetzung politischer Stabilität. Dem dient die Christlich-Islamisch-Jüdische Arbeitsgemeinschaft (CIJAG). Sie basiert auf den Erfahrungen mit antireligiöser Gewalt in der Zeit des diktatorischen Nationalsozialismus. Dieser führte zum Kirchenkampf zwischen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche, zur Verfolgung und Ermordung von Zeugen Jehovas und zur Deportation und Ermordung jüdischer Bürger (dargestellt am Beispiel der Familie Abrahamsohn) in Marl.

Ab den 1990er Jahren richteten sich die Muslime in Marl mit repräsentativen Moscheebauten in Marl ein. Seit 2001 gab es das Abrahamsfest. Es war ein jährliche interkulturelle christlich-islamisch-jüdische Veranstaltungsreihe von September bis Dezember. Es endete mit einem gemeinsamen Gastmahl im Rathaus. In Würdigung dieser Arbeit wurde dem Initiator Hartmut Dreier das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Im Jahr 2024 feierte die demokratische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland durch das Grundgesetz ihr 75-jähriges Bestehen und ist wieder Bedrohungen ausgesetzt durch die Verrohung des politischen Diskurses, Radikalisierung und Rassismus, der sich sowohl gegen andere Religionen als auch gegen Zugewanderte richtet.
Die Beschäftigung mit dem Thema „Zuwanderung und Religion“ hilft, die kulturelle Identität zu klären und sich in einer multikulturellen Situation zurechtzufinden.
Es gibt noch weitere Kapitel und porträtierte Akteure und Aktionen in unserem Band zu finden. In jedem Fall bildet die Beschäftigung mit dem Thema Religion und Zuwanderung, sie hilft uns im Sinne des Zitats des ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten und Bundespräsidenten Johannes Rau, unsere kulturelle Identität zu klären, um uns in einem multikulturellen Deutschland zurechtzufinden.

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