Der Erste Weltkrieg und seine Folgen in Marl

Von Gert Eiben

Die Hochstraße kurz vor dem ersten Kriegsjahr
Die Hochstraße kurz vor dem ersten Kriegsjahr 1914

Marl: sozialer und politischer Protest

Kriegsbeginn mit Hurra

In dem kleinen Ort Marl ist gerade erst die industrielle Revolution ausgebrochen, als mit dem Kriegsbeginn 1914 aus einer aufstrebenden Entwicklung für die nächsten zehn Jahre ein chaotischer Umbruch wird.

Von dem Krieg spürt die Marler Bevölkerung nur so viel, wie die beiden in Marl erscheinenden Zeitungen (Recklinghäuser Zeitung, Recklinghäuser Volkszeitung) berichten. Die Kriegserregung ist in den ersten Tagen groß, auf den Straßen werden bis spät in die Nacht patriotische Lieder gesungen. Doch schon am 1. August 1914 macht sich der Krieg im täglichen Leben negativ bemerkbar: Die Menschen wollen Banknoten in Hartgeld umtauschen und die Reichsbank muss klarstellen: Geldscheine von 20 und 50 Mark seien Banknoten, Stücke von 5 und 10 Mark aber nur Kassenscheine. Schon am 3. August wird vor Lebensmittelwucher gewarnt. Die Kreissparkasse fordert die Bürger auf, die Sparbüchsen zu leeren, weil überall Mangel an Kleingeld herrscht. Beamte erklären, sie müssten wegen des Kriegszustandes keine Miete zahlen. Hauptlehrer Keßler organisiert in der Waldschule Erntehelfer.

Am 1. September teilt die Zeitung mit, das Kriegsministerium habe keinen Bedarf mehr an Kriegsfreiwilligen. Ende September erhält der Arbeiter Wilhelm Wackert eine zweiwöchige Gefängnisstrafe, weil er eine im Gemeindegasthaus aufgehängte Kriegskarte als Blödsinn bezeichnet hatte.

Im Oktober vertagt der Gemein­derat unter dem Vorsitz des Amtmannes Barkhaus die Pläne zur Errichtung einer Arbeiterkolonie südlich der Zeche durch die Gewerkschaft Brassert. Die Gemeinde kann die Vorleistungen nicht aufbringen. Deshalb können auch die Brassert- und Kaiserstraße (die in den 20er Jahren in Barkhausstraße umbenannt wird) nicht gepflastert werden. Bei den Lohn- und Abschlagszahlungen an den Zechen kommt es zu schweren Schlägereien, berichten die Zeitungen, ohne die Gründe zu nennen.

Albert Barkhaus, Amtmann von 1881 bis 1922
Albert Barkhaus, Amtmann von 1881 bis 1922

Im März 1915 müssen die Bürger anzeigen, wie viele Kartoffeln sie in ihrem Gewahrsam haben. Brotbücher werden eingeführt. Bergleute, die Überschichten verfahren, erhalten Zusatzbrotscheine.

Gutschein der Gemeinde Marl 1914
Gutschein der Gemeinde Marl 1914

Den Zechen fehlen Arbeiter

Auf den Zechen wirkt sich die Personalnot aus. Auf Brassert sind 1914 bereits 50 % der Belegschaft eingezogen, von den Beamten sogar 65 %. 1915 ist die Lage auf dem Kohlenmarkt außerordentlich gut, die Belegschaft wird mit auswärtigen Arbeitern aufgestockt. Weil aber fachkundige Arbeiter fehlen, kann die Förderung nicht noch weiter gesteigert werden. Ende 1918 gehen die ausländischen Arbeiter und die Gefangenen werden abgezogen, dadurch halbiert sich die Belegschaft. Auf Arbeitsniederlegungen im Februar folgt im April ein Generalstreik. Beamte müssen die Notstandsarbeiten übernehmen. Wegen vieler Arbeitsniederlegungen und Unruhen (Rote Armee) fährt die Zeche einen Verlust ein.

Ähnlich ist die Lage auf Auguste Victoria (damals noch zur Gemeinde Recklinghausen-Land gehörend). Von den 175 Beamten müsse 74 ins Feld einrücken. 1915 stehen 1272 Arbeiter im Feld, die Lücke wird durch russisch-polnische Arbeiter und Kriegsgefangene (400) aufgefüllt. 1916 kommen Gefangene und Zivilarbeiter aus den okkupierten Gebieten dazu. 1917 sind von 2805 Mann Belegschaft 750 Kriegsgefangene.

Traueranzeige in der Marler Volkszeitung

Steckrübenwinter 1916/17

Schon mit dem Kriegsbeginn werden Lebensmittelrationierung und Zwangsbewirtschaftung eingeführt. Das 1916 gegründete Kriegsernährungsamt scheitert aber an den Problemen der Nahrungsmittelrationierung. Die Bevölkerung muss durch Suppenküchen versorgt werden, in denen Gerichte aus Steckrüben (einem der noch vorhandenen Nahrungsmittel) angeboten werden. Die Folge sind Hungerproteste. Das Militär greift durch, im Juni 1917 beginnt eine neue Streikwelle im Ruhrgebiet mit Lebensmittelkrawallen, die auch zu politischen Forderungen führt.

Januar 1918: Ein Rangier­meister bekommt eine Geldstrafe von 30 Mark, weil er seine Hühner oft frei herumlaufen lässt, so dass sie auf dem in der Nähe liegenden Grundstück, das mit Roggen besät ist, erheblichen Schaden anrichten. In der Vikariestraße werden Steckrüben verkauft. Kaffeeersatz gibt es für 3,10 Mark das Pfund, Kunsthonig für 0,73 Mark je 125 Gramm.

Februar: Die Brotstreckung hat mit Trockenkartoffelerzeugnissen zu erfolgen. Für Pferde, die aus den Wäldern Holz abfahren, das für den Heeresbedarf bestimmt ist, wird eine Sonderzulage an Hafer bewilligt. Knochen dürfen nicht verbrannt, vergraben oder auf andere Weise vernichtet werden, sondern müssen abgeliefert werden.

April: Das Heer braucht dringend rohe Kanin-, Hasen- und Katzenfelle. Die Wirtin Antonia Köster gestattet aus Anlass ihres Geburtstages einigen Gästen ein Tanzvergnügen mit Musikbegleitung, das sie trotz Warnung des Polizeibeamten fortsetzt. Das Schöffengericht Recklinghausen verurteilt sie zu einer Geldstrafe von 75 Mark.

Mai: Auf Anordnung des Bischofs müssen Prozessionen zu Fronleichnam wegen der Fliegergefahr unterbleiben.

Juni: Die Brotmenge wird von 4 Pfund auf 3½ Pfund wöchentlich herabgesetzt. Die Ausfuhr von Gras, Klee und Heu aller Art aus dem Landkreis Recklinghausen wird bis auf weiteres verboten.

Juli: Wegen der jetzt häufiger beklagten Feld- und Stalldiebstähle wird in Hüls eine Bürgerwehr gebildet.

August: Gewerbetreibende werden aufgefordert, sofern sie „Luxusgegenstände“ absetzen, sich im Amtshaus zu melden. Taschenuhren unterliegen der erhöhten Steuer, sofern das Entgelt für die Lieferung 100 Mark überschreitet.

Oktober: Auf einer recht gut besuchten Volksversammlung hält der Landtagsabgeordnete Prof. Wildermann einen Vortrag über die äußere Lage, „worin er in klarer und überzeugender Weise darlegte, dass kein Grund zum Missmut vorhanden“ sei. Er mahnt zum treuen Zusammen- und Aushalten.

Dezember: Das Amt verkauft beim Kaufmann Tewes, Loestraße, einen Posten Kleidungsstücke, Wäsche, Stoffe usw. „Die ungenügende Belieferung von Lederschuhen ist darauf zurückzuführen, daß mehrere Kaufleute die Anmeldung bei der zuständigen Stelle verabsäumt haben. Infolgedessen bekommt nur der Schuhwarenhändler Hiltrop Schuhe zugewiesen. Die Zuteilung ist im Verhältnis der Einwohnerzahl Marls eine sehr geringfügige. Zwecks Durchführung einer gerechten Verteilung ersuche ich alle, sich im Amtshause anzumelden. Die zur Verfügung stehenden Schuhe werden jedesmal verlost“, teilt Amtmann Albert Barkhaus mit.

Wortführer der unzufriedenen Bergleute wird für die nächsten Jahre August Bovensiepen, der 1919 auch für die SPD in die Gemeindevertretung gewählt wird. Bovensiepen fragt im September 1915: „Der Absatz der Zechen ist gut. Wo bleibt der Verdienst?“ Auf den Zechen Brassert und Auguste Victoria wird die Forderung nach Lohnerhöhungen immer größer, bis schließlich am 22. April 1917 auf einer Belegschafts­versammlung von AV 1000 Bergleute drängen: „Wir wollen keinen Streik, wir haben Hunger.

Der Krieg ist zu Ende

Ebert/Scheidemann ihre sozialen Forderungen nicht erfüllt (weil sie nichts gegen die überkommenen ökonomischen Machtverhältnisse tut), wenden sich viele Arbeiter enttäuscht von den Mehrheitssozialisten ab. Im November 1918 brechen Bergarbeiterstreiks aus und werden zu einer mächtigen Aufstandsbewegung.

Kriegsauszeichnung für Paul Stein

Am 9. November 1918 trifft auf dem Hauptbahnhof Recklinghausen ein Sonderzug mit 150 bewaffneten Matrosen und Soldaten ein, die sich als Beauftragte des Soldatenrates Kiel ausgeben, zum Rathaus marschieren und die dort stationierte Polizei entwaffnen. Dann befreien sie im Gefängnis des Amtsgerichts die inhaftierten Soldaten.

Soldaten und Arbeiter greifen ein

Noch am selben Tag bilden die Arbeiter zusammen mit den heimkehrenden Soldaten Arbeiter- und Soldatenräte. Sie wollen der Verwaltung Anweisungen geben und werden für diese „Arbeit“ bezahlt. Auch in Marl wird an diesem Tag ein „ASR“ gegründet mit Guido Heiland an der Spitze.

Zwei Tage später, auf einer Sitzung des Bezirks-Arbeiter- und Soldatenrates Recklinghausen meldet sich auch Guido Heiland (Mehrheits­sozialist) zu Wort. Er habe bemerkt, dass was im Spiel sei. Er habe immer mit Misstrauen der Zukunft entgegen gesehen. Es hätte bis jetzt geheißen, die Spartakisten wären am gefährlichsten. „Heute möchte ich sagen, schade, dass wir nicht alle Spartakisten geworden sind. Es gibt nur ein Mittel, und zwar, die Räder stillgesetzt und die Nationalversammlung verhindert. Man sollte die Zechen in Grund und Boden zerstören. Eventuell würde man sich mit der Waffe widersetzen.“ Später erklärt er, „dass er gemeint habe, der Generalstreik sollte eventuell als letztes Mittel angewandt werden.“

Insbesondere in Dorsten eskalieren die Ereignisse, nachdem dort der hohe Zechenbeamte Kohlmann auf der Straße erschossen worden war (angeblich von der „Volkswehr“ des ASR). Heiland wettert auf der Sitzung in Recklinghausen und äußert drohende Anklagen gegen den Vormarsch der Konterrevolution, die nun eingesetzt habe. Er wendet sich scharf gegen den „Erlass der Regierung“, durch den die „Kommandogewalt wieder restlos in die Hände der früheren Offiziere gelangt ist“, und der die Beseitigung der ASR betreibe.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, nutzen die Bergleute den Streik. Um eine Schichtverkürzung auf 7½ Stunden durchzusetzen, wird vom 18. November 1918 an für einen oder mehrere Tage auf einer ganzen Reihe von Schachtanlagen des Reviers die Arbeit niedergelegt, auch auf Brassert.

Die Lage eskaliert

Am Tag nach dem Einmarsch des Freikorps Lichtschlag in Dorsten (14. Februar 1919) legen die Bergleute auf General Blumenthal in RE die Arbeit nieder, am 17. Februar setzt sich der Streik unter anderem auf Auguste Victoria in Hüls und auf Brassert in Marl fort und wird mit wirtschaftlichen Forderungen verbunden: „Vor allem wird verlangt, daß mehr an Lebensmitteln zu billigen Preisen für die Arbeiterschaft zur Verfügung gestellt wird, da sie bei der heutigen Rationierung zugrunde gehen. Von uns verlangt man Arbeit und Werte, dann sorge man aber auch dafür, daß die Arbeiter leistungsfähig bleiben.

Bergleute sind enttäuscht

Die Bergarbeiter finden bei ihren Auseinandersetzungen mit den Grubenaktionären und Zechenverwaltungen keine Unterstützung, auch nicht beim Bezirks-ASR. Der Vertrauensschwund führt zu Spannungen, als führende Mitglieder des ASR in Aufrufen die von den Belegschaften gefassten Beschlüsse zu Arbeits­niederlegungen scharf verurteilen.

Aber es gibt auch eine Gegenbewegung gegen die Errichtung des Rätesystems insbesondere in Orten, in denen man auf sich selbst angewiesen ist. Wie in Hüls, wo am 17. Februar 1919 die Beamtenschaft der Zeche Auguste Victoria im Verein mit der Bürgerschaft einen Beschluss fasst, der in der dortigen Gegend überall angeschlagen wird:

Energischer Einspruch gegen den Beschluß der Belegschafts­versammlung wird erhoben, eine Kommission einzusetzen, die mit Haussuchungen bei den Bürgern, Beamten und Grundbesitzern der hiesigen Gegend beginnen soll. Gegen derartige ungesetzliche Maßnahmen werden wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln auf das schärfste zur Wehr setzen. Haussuchen, die von zuständiger Stelle angeordnet werden, solle jederzeit entsprochen werden, doch wird gefordert, daß derartige Haussuchungen sich selbstverständlich nicht auf einzelne Klassen beschränken, sondern daß davon alle Einwohner, einschließlich der Arbeiter gleichmäßig betroffen werden.

Streikmitteilung der Zeche Brassert an die Amtsverwaltung

Unterzeichnet ist der Aufruf von dem Angestelltenausschuss der Zeche Auguste Victoria, von den Beamten der Arbeits- und Polizeiverwaltung, der Reichspost, der Eisen­bahnverwaltung, vom Haus- und Grundbesitzerverein, von den Ärzten und Apothekern, der Lehrerschaft und einer großen Zahl von Landwirten und Geschäftsleuten aus Hüls und Umgebung.

Auch auf Brassert gelingt es am gleichen Tag (17. Februar 1919) einer kleinen Zahl von Protestierenden, den Ausstand durchzusetzen. In einer Belegschaftsversammlung wird aber nach langen Verhandlungen entschieden, die Arbeit wieder aufzunehmen. Doch die Spartakisten können das Ergebnis in einer kurz darauf einberufenen Versammlung wieder umstoßen. Der Streik wird für zwei Tage als Sympathiekundgebung für die bei der Unterdrückung der Dorstener Unruhen gefallenen Gesinnungsgenossen fortgesetzt. Am 19. Februar 1919 erscheinen etwa drei Fünftel der Knappen zur Frühschicht. Zwei junge Burschen von Auguste Victoria versuchen in der Waschkaue die Leute von der Anfahrt abzuhalten, man werde, falls sie doch mit der Arbeit begännen, in größeren Massen wiederkommen und eine Stilllegung des Betriebes erzwingen. Die Arbeitswilligen sind eingeschüchtert, von 396 Mann der Morgenschicht fahren nur 210 an, bei der folgenden Mittagschicht von 320 nur 80. Kaum sind sie hinunterbefördert, als ein Zug von 200 Bergarbeitern von Auguste Victoria mit Musik und unter Vorantragung einer roten Fahne heranmarschiert und die Wiederausfahrt verlangt. Falls nicht innerhalb einer halben Stunde alle aus der Grube seien, werde niemand mehr herausgelassen. Die Angefahrenen werden zu Tage geschafft und im nahegelegenen Gemeindegasthaus wird der Generalstreik proklamiert.

Am 21. Februar beschließt die Essener Streikkonferenz den sofortigen Abbruch des Generalstreiks.

Der Streik geht weiter

Trotzdem werden die Streiks fortgesetzt, es geht weiterhin um eine Verkürzung der Arbeitszeit. Auf Brassert drängt man am 24./25. März auf eine 6½-stündige Schicht und kann diese auch gewaltsam einführen. Inzwischen hat sich Guido Heiland aus dem Arbeiter- und Soldatenrat verabschiedet. Er ist durch die Kommunalwahlen am 2. März 1919 für die SPD in den Gemeinderat aufgerückt und dort zum Gemeindevorsteher gewählt worden – entgegen den Mehrheitsverhältnissen.

Die Zeche lehnt die Forderungen der Belegschaft ab.

Konferenz am 30. März 1919 in Essen wird ein unbefristeter Generalstreik beschlossen. Zu den Forderungen gehören die Einführung der Sechsstundenschicht, eine 25-prozentige Lohnerhöhung, die Anerkennung des Rätesystems und die sofortige Anknüpfung aller politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der russischen Sowjetregierung. Im Gegenzug verkündet der Reichs- und Staatskommissar im Ruhrgebiet Severing (SPD) eine Verordnung zum Zwang von Notstandsarbeiten.

Auf Auguste Victoria fordern radikale Belegschaftsmitglieder seit dem 29. März, die Sechsstundenschicht auf fünf Stunden einschließlich Ein- und Ausfahrt zu verkürzen, die Gedingesätze um 25 Prozent zu erhöhen und die Eisenbahnverbindungen entsprechend umzustellen. Die Zechenverwaltung lehnt das ab und bis zum 27. April streikt die Belegschaft von 2637 Mann. Bergassessor Paul Stein warnt, dass die Grube absaufen und die Ortschaft Hüls wirtschaftlich ruiniert werde. Die Belegschafts-vertreter erklären in einer Resolution am 2. April, „daß die Herren Bergassessor Stein, Betriebsführer Störmer und Zechenbaumeister Haverkamp es nicht verstanden haben, sich der Neuzeit anzupassen. Die Versammlung wünscht, daß die Herren sich revidieren und Beamten und Arbeitern gegen-über ein andres Entgegen-kommen zeigen. Sollten die genannten Herren dieses verweigern, behält sich die Belegschaft ihre weiteren Schritte vor.“

Auf der Belegschafts­versammlung wird nach lebhafter Debatte die Gestellung von 60 Mann zur Verrichtung von Notstandsarbeiten abgelehnt, nur ein einziger stimmt dafür.

Zur gleichen Zeit schickt die Regierung ein Militärkommando von 2 Offizieren und etwa 30 bis 50 Soldaten nach Hüls, um die Zechenanlage zu schützen. Die Bürobeamten erledigen die Notstandsarbeiten. Am 28. April nimmt die Belegschaft die Arbeit wieder auf, fordert aber die Rückziehung des Militärs. Streikführer Harwig ist verbittert: „Wir wollen die Arbeit wieder aufnehmen, aber mit geballten Fäusten in der Tasche. Den Streik müssen wir aufgeben, aber die Kapitalisten haben ihn nicht gewonnen, sondern die vier Bergarbeiterorganisationen sind den Bergarbeitern in den Rücken gefallen. Für den nächsten Streik werden wir besser gerüstet sein.“ In Marl versuchen der Gemeindevorsteher (Guido Heiland) und der Amtmann (Albert Barkhaus), die wirtschaftliche Not der Bürger durch Zwangs-bewirtschaftung einzudämmen. Preise für Backwaren und Mehl werden festgesetzt, Butter, Zucker und Bohnen werden wochenweise gegen Karten abgegeben.

1920 beginnt mit einer neuen Unruhewelle

Zu Beginn des Jahres 1920 bricht eine neue Unruhewelle aus, die das Ziel „Sechsstundenschicht“ hat. Auf einer Reihe von Anlagen kommt es zu Arbeitsnieder-legungen, so am 2. Januar 1920 auf Brassert. Die „Vereinigung der Ortsgruppe Marl“ ruft durch Anschlag in der Waschkaue und der Lampenstube auf Brassert auf, „ihren auf der letzten Belegschaftsversammlung gefassten Beschluß über die Sechsstundenschicht zu verwirklichen und nach sechs Stunden auszufahren“.
Die Frühschicht beendet ihre Schichtzeit wie beschlossen, die Mittagschicht verweigert die Anfahrt. Der Zechenverband erklärt die Forderung für unbezahlbar.

Die Reaktion auf den Kapp-Putsch

Versammlungs-Aufruf

Sofort nach dem Bekanntwerden des Kapp-Putsches (13. März 1920) schließen sich in Marl Sozialdemokraten, Kommunisten und USP-Anhänger zu einem Aktionsausschuss zusammen. Die Belegschaft der Schachtanlage Brassert gehört zu den radikalsten im Umkreis. Die Bergarbeiter begnügen sich nicht mit der Niederlegung der Arbeit. Sie bilden eine Arbeiterwehr und marschieren zum Rathaus, um sich mit den dort lagernden Waffen zu versorgen. In Hüls ruft der Aktionsausschuss die Belegschaft von Auguste Victoria und die gesamte Bevölkerung für Sonntag, 14. März, zur Demonstration und Kundgebung auf. Mächtige Kolonnen der Einwohner marschieren unter roten Fahnen und mit Gesang durch die Straßen von Hüls. Die Teilnehmer fordern den Einsatz schärfster Kampfmittel gegen die Verschwörer und fassen den Beschluss: „Es wird weiter gestreikt, die nächsten drei Tage werden keine Notstandsarbeiten gemacht, für später werden sie nach Bedarf beschlossen. Kohlen sollen jedoch nur für das Kesselhaus gewonnen werden.“ In dieser Versammlung wird von dem Betriebsratsmitglied Herwig erklärt, im Falle des Versagens der Mehrheitssozialisten werde der Kampf durch die USP bis aufs Blut weitergeführt, die Waffen werde man gegen das Militär gebrauchen. Es wird ein Vollzugsausschuss gebildet, zu dessen Aufgabe auch die Sicherung der Schachtanlage gehört.

Die linksextreme Bewegung wächst immer schneller an. Der Befehlshaber des Wehrkreises VI, Generalleutnant Freiherr von Watter, verhängt am 16. März 1920 den verschärften Belagerungszustand. Major Friderici, der im Februar 1919 das Kommando des Freikorps Lichtschlag in Dorsten geführt hatte und dort seither stationiert ist, kommandiert eine Abteilung Soldaten nach Marl, um die Bewaffnung zu verhindern und den Arbeitern die Waffen wieder abzunehmen. Die Aktion ist erfolglos.

Weiter ohne die SPD

Schon wenige Tage später, am 20. März, treten in Marl die Mitglieder der SPD aus, sie fühlen sich von den Kommunisten und der USP getäuscht und wollen nichts tun, was nicht von der Verfassung gedeckt ist. Im Gegenzug schließt der Aktionsausschuss die Vertreter der Sozial­demokratischen Partei und der Freien Gewerkschaften auf einer öffentlichen Versammlung aus dem Aktionsausschuss aus mit der Begründung, diese seien „keine Revolutionäre“. Der auf einer öffentlichen Versammlung unter starker Beteiligung der Belegschaft der Zeche Brassert gebildete „Vollzugsausschuss“ setzt sich aus Vertretern der USP und neu hinzugetretenen, links orientierten Mitgliedern zusammen. Die politische Einigung dokumentiert sich nach außen auch dadurch, dass Ankündigungen des Vollzugsausschusses mit dem Stempel „Unabh. Sozialdemokr. Partei Marl“ gezeichnet werden. Als erstes erscheinen Aufrufe zur Waffenabgabe.

Brassert wird Sitz der Roten Zentralleitung

Während die Reichswehrtruppen erfolgreich das Ruhrgebiet säubern, wird Marl (Gemeindehaus in Brassert) zum Sitz der Zentralleitung der Roten Armee für den Ostabschnitt. Leiter dieser Etappe wird der Vorsitzende des Vollzugsrates von Marl, Karl Wohlgemuth, dem Marler Bergarbeiter Gräf wird der Oberbefehl über die Arbeitertruppen im Abschnitt Haltern übertragen. Am 21. März schließen sich die Marler Rotarmisten mit Truppen aus Bochum, Langenbochum, Essen, Dortmund und Gelsenkirchen zusammen. Die Abteilung Marl besetzt das Schloss Sythen sowie Dülmen und Buldern.

Auf der Zeche Brassert arbeiten vom 22. bis 28. Marz etwa vier Fünftel der Belegschaft. Die Fehlenden sind größtenteils der Roten Armee beigetreten. Der Vollzugsrat aus Kommunisten und Unabhängigen beherrscht Marl und greift wiederholt in die Verwaltung und in den Betrieb der Zechen ein. Bettstellen, Decken und Fernsprechapparate werden requiriert, Pferde und Wagen zur Front gesandt, zuschanden gefahren und ausgeraubt. In größerem Umfange erpresst man Benzol und Sprengstoffe. Aus der Konsumanstalt werden in Mengen Lebens- und Genussmittel fortgenommen.

Um die Disziplin durchzusetzen, wird eigenmächtiges Handeln streng bestraft: Es ist überall Anweisung ergangen, gegen solche Personen „restlos mit der Waffe vorzu­gehen“. Außerdem werden „sämtliche Lust­barkeiten, Kinos, Tanz­vergnügen usw. von heute ab verboten“ (28. März). Es gibt in der Roten Armee auch unerwünschte Mitläufer und Klagen über zu viele so genannte „Krankenschwestern“, die mit verpflegt und entlohnt werden. Sie werden Ende März abgeschoben.

Im Hinterland zwischen Marl und der Kampffront mehren sich die Anschläge auf Angehörige der Arbeitervereine. Die Rote Armee erwartet einen Großangriff der Reichswehr, woraufhin die Zentralleitung die Bürger am 29. März auffordert, Jagdwaffen samt Munition in den nächsten 12 Stunden abzugeben. Am folgenden Tag verlangt sie, dass die Landwirte und Pferdebesitzer ihre Pferde zur Musterung vorführen.

Die Unruhen auf Zeche Auguste Victoria am 9. August 1923. Büro von Bergassessor Stein.
Ein „Gutschein“ wird geschrieben – und schon sind 500 Zigaretten requiriert. Die Quittung ist wertlos

Die Spartakisten auf dem Rückzug

In der Karwoche 1920 kommt es an der Lippe zu blutigen Kämpfen. 30 Kommunisten versuchen, die in Marl aufgestellte Bürgerwehr zu überfallen und schießen an der Kreuzung Loe-/Kaiserstraße (heute Barkhausstraße) auf die Bürgerwehr, ohne zu treffen. Unter heftigen Kämpfen kann die Reichswehr bei Haltern in der Nacht zum 2. April einen Brückenkopf bilden. Die Roten verlieren etwa 80 Kämper, 10 Maschinengewehre, 150 Schuss Artilleriemunition, viele Gewehre und Infanteriemunition sowie ein Feldgeschütz. Dann fliehen sie. In der Nähe von Brassert sprengen sie mehrere Straßen, bei Hüls und Sinsen versuchen sie die Gleise von Auguste Victoria zu zerstören, was aber misslingt. Fast überall werden Bauernhöfe ausge­plündert, man schlachtet das Vieh ab und zwingt die Land­wirte, Fuhrwerk zu stellen.

Am 2. April wird Bergassessor Stein von Auguste Victoria bei Bockholt von Spartakisten, die ihn erkennen, genötigt, mit ihnen zu kommen und auf einem ihrer Wagen Platz zu nehmen. Durch Zahlung eines Lösegeldes gelingt es ihm, sich in der Nähe von Recklinghausen zu befreien. Während die Reichswehr auf Recklinghausen zurückt, wendet sich eine starke Abteilung des Freikorps von Sinsen in Richtung Hüls und besetzt die Bergarbeitersiedlung. Gleichzeitig werden von Recklinghausen aus Kommandos der Reichswehr über Herten-Scherlebeck nach Marl in Marsch gesetzt. In dieser Situation wird ein Mitglied der Arbeiterwehr der Zeche Schlägel und Eisen (Hülsbusch, Mitglied des Vollzugsrates für das Amt Recklinghausen und USPD-Mitglied) von einem Kriminalbeamten (Hachmeier) auf der Straße erschossen. Während die Arbeiter auf dem Marktplatz in Hüls protestieren, rückt die Reichswehr ein. Eine Verfolgungsjagd und Verhaftungswelle beginnt. Die Reichswehr bildet in Hüls ein Standgericht, das den Kreissekretär der USPD und Mitglied des Vollzugsrates Amt Recklinghausen, Herwig, in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Da der geflohen ist, nimmt die Reichswehr dessen 19-jährigen Sohn als Geisel. Spitzel und ortskundige Helfer erleichtern die Festnahme

Galoppierende Inflation: 500-Millionen-Mark-Gutschein der Zeche Brassert im September 1923

Die Kämpfe gehen weiter

Überall gibt es Auseinandersetzungen. Kommunistischen Agitatoren wird nachgesagt, sie wollten die blutigen Zusammenstöße. Auf den Zechen geht es um kommunistische Geheim-propaganda, Generalstreiks, Kundgebungen, Hetzereien, Entlassungen, Schlägereien, Gewalttätigkeiten, Festnahmen, Sprengungen, Einzelstreiks, Amtsenthebungen, Versammlungen, Solidaritäts­kundgebungen und Putschversuche. Das zieht sich durch die Jahre bis Ende 1922.

Besetzung durch die Franzosen und Belgier

Anfang 1923 greifen die Franzosen ein, um die Reparationsleistungen sicherzustellen. Deutschland habe seine Holzlieferungen nicht vollständig ausgeführt und deshalb den Versailler Vertrag nicht vollständig erfüllt, ist die Begründung.

Eine Formation von 300 Pferden rückt von Buer über Polsum nach Hüls vor. Eine halbe Stunde später, gegen 9 Uhr, taucht eine Eskadron Kavallerie in Marl auf. Es ist der 15. Januar 1923, französische Truppen machen sich breit. Am Mittag werden geplante Protestkundgebungen verboten, alle Wirtschaften müssen 9 Uhr abends schließen. So beginnt die Ruhrbesetzung in Marl, die im Juli 1925 endet und viele Drangsale mit sich bringt.

Das französische Infanterie-Regiment 37 bleibt kaum einen Monat, im Februar rücken belgische Besatzer an, zunächst mit 290 Mann und 93 Pferden (zwei Jahre später machen sie französischen Manövertruppen Platz). Die Offiziere nehmen sich Privatquartiere mit zwei oder drei Zimmern. Die Dienstwohnung des Vikars Dahlmann wird zum Kasino. In Polsum und Hamm-Bossendorf müssen sich die Landwirte mit ihren Dielen zufrieden geben. Ihnen werden Kartoffeln, Eier und Butter weggenommen – „ohne hierfür Requisitionsscheine zu erhalten“, wie die Verwaltung kritisiert.

Die staatlichen Polizeibeamten werden ausgewiesen, verschiedene werden schwer misshandelt, weil sie die Offiziere nicht gegrüßt haben sollen. Weil die Polizei fehlt, nehmen Diebstähle zu. Vier von Berlin gesandte Polizeibeamte werden erkannt und verhaftet. Mehrmals werden die beiden in Marl erscheinenden Zeitungen verboten, andere Zeitungen werden sofort verbrannt. Alle Waffen müssen abgegeben werden.

Weil die Kohlensteuer nicht gezahlt wird, besetzen Truppen am 18. Mai 1923 die Zeche Brassert, worauf die Bergleute die Arbeit niederlegen. Auf Umwegen und mit List versorgt sich die Bevölkerung mit Brennstoff. Als der passive Widerstand aufgehoben wird, räumen die Belgier die Zeche wieder.

Am 20. April 1923 besetzen belgische Soldaten das Amtshaus und schikanieren die Marler Beamten. Daraufhin verfasst Landrat Dr. Klausener ein scharfes Protestschreiben an das belgische Hauptquartier in Sterkrade (Oberhausen). Das Generalkommando entsendet eine Untersuchungskommission, der Landrat wird verhaftet und in Sterkrade zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Der Straßenbahnunfall am Amtshaus

Von Belgiern verursachter Unglücksfall beim Amtshaus Marl am 23. März 1924.

Spektakulär ist der Verkehrsunfall am 23. März 1924 an der Haltestelle Amt Marl. In der Nähe der evangelischen Kirche an der Brassertstraße springen plötzlich drei belgische Soldaten mit gezogenem Seitengewehr auf den Wagen, Führer Voges hält den Wagen an. Die Belgier treiben die Fahrgäste nach draußen, demolieren den Wagen und setzen ihn in Gang. An der Haltestelle Amt Marl prallt der Wagen mit voller Wucht auf den Wagen, der von Recklinghausen nach Dorsten fährt. Das Oberteil wird vollständig heruntergerissen. Die etwa 20 Fahrgäste werden gerettet und im Amtshaus von Sanitätsrat Dr. Stüer verbunden. Elf Fahrgäste sind verletzt, drei erheblich. Auch zwei der belgischen Soldaten sind verletzt, alle drei werden vor ein belgisches Kriegsgericht gestellt.

Weithin bekannt wird ein Vorfall vom 21. Juni 1923, als eine belgische Patrouille in Sickingmühle in der Nähe der Wirtschaft Baumeister zwei Zivilpersonen auf Waffen untersuchen will. Ein Mann schießt zwei der Soldaten nieder und verletzt einen dritten schwer, der vierte flüchtet in den Wald, schießt auf einen der Männer und trifft ihn in die Schulter. Die Männer flüchten in Richtung Lippe. Einer der Männer, „ein gewisser Knickmann“, ertrinkt, der andere, Jackstien, wird zwei Tage später in Westbevern von deutschen Polizeibeamten festgenommen.

Nach der Ermordung der Soldaten werden die Straßen nahe der Lippe scharf bewacht, die Wirtschaften um 7 Uhr geschlossen und Geiseln genommen. Viele Bergleute kommen nicht zur Zeche, der Straßenbahnverkehr ruht, die Nachbarstädte können nur zu Fuß erreicht werden.

Büroinspektor Schulte, Rektor Dr. Milske, Lehrer Gläser und Polizeiassistent Giese werden als Geiseln für die Ermordung genommen und noch am selben Tag ausgewiesen. Die Gemeinde Marl wird zu 50.000 Fr. Geldstrafe verurteilt, lehnt aber die Strafe ab. Der unbesoldete Beigeordnete Hoffmann (Polsum), der stellvertretende Gemeindevorsteher Mehl und Gemeindevertreter Hahn werden deshalb am 22. August zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Im September 1923 werden sämtliche Büromöbel und Einrichtungen des Amtshauses beschlagnahmt.

Bereits Anfang März hatte das französische Kriegsgericht Amtmann Garmann (seit April 1922 im Amt) wegen Verwei-gerung der Kohlenlieferung zu einer Geldstrafe von 200.000 Mark verurteilt und ausgewiesen.

Bürodirektor Niggemann erhält im Mai eine viermonatige Gefängnisstrafe, weil er sich weigert, eine Liste der Beamten abzugeben; am 5. September wird er wieder entlassen und in das unbesetzte Gebiet abgeschoben.

Galoppierende Inflation: 20-Milliarden-Mark-Gutschein der Gewerkschaft AV im Oktober 1923

Gemeindevorsteher Guido Heiland wird am 19. April zu einer fünfmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt „wegen Verweigerung von Requisition“. Mit ihm erhält Polizeikommissar Schermer eine neunmonatige Gefängnisstrafe.

Inflation

Schon mit Kriegsbeginn vermehrt sich im Deutschen Reich die umlaufende Geldmenge (für die Mobilmachung), was im Folgenden zu einer kontinuierlichen Geldwertverschlechterung und sinkender Kaufkraft führt. Es fehlt zunächst insbesondere Kleingeld, weshalb die Gemeinde Marl (mit staatlicher Duldung) im August und September 1914 Notgeld herausgibt. Die beiden Zechen dürfen das nicht, sie stellen stattdessen „Kleingeldersatzscheine“ in Mark-Stückelungen her. Zum Kriegsende destabilisieren soziale Leistungen für Kriegsopfer und Hinterbliebene den Reichshaushalt. 1921 werden die alliierten Reparationsforderungen bekanntgegeben und die Inflation beschleunigt sich. Als Anfang 1923 französischen Soldaten ins Ruhrgebiet einmarschieren, um sich in den Besitz von „produktiven Pfändern“ für ihre Reparationsforderungen zu bringen, unterstützt die Reichsregierung den passiven Widerstand der Bevölkerung und druckt dafür immer mehr Geld. Bis 1922 ist der 1000-Mark-Schein der höchste Wert in der Nominalkette, im November 1924 ist der größte Geldschein 100 Billionen Mark (100.000.000.000.000 M).
Weil die Notenpressen nicht nachkommen, geben mehr als 5800 Städte, Gemeinden und Firmen eigenen Notgeldscheine heraus. Die Ersparnisse vieler Familien sind vernichtet. Wer Schulden hat, profitiert, weil Kredite mit entwertetem Geld zurückgezahlt werden können. Mit der Währungsreform am 15. November ist die Inflation beendet.

Der „Nachschub“ mit Geld führt immer wieder zu Problemen. Als am 9. August 1923 die Mittagschicht von AV unzufrieden ist mit den Abschlagszahlungen, stürmen 15 Mann das Büro von AV-Bergassessor Paul Stein, verwüsten es und schlagen den Werkleiter blutig.

Stein verspricht den Junggesellen einen Vorschuss von 2 Millionen Mark. Damit ist der Aufstand zu Ende. Im Februar 1924 erhalten. 20 Aufrührer Strafen zwischen 8 und 30 Monaten Gefängnis wegen schweren Landfriedensbruchs oder Aufruhr.

Ohne Folgen blieb die Beschlagnahme von insgesamt 40.000 Mark bei zwei Banken in Recklinghausen. Zuerst hatte sich die Rote Armee eine Bürgschaftserklärung über 96.000 Mark bei der Gemeinde Marl geholt – ohne Gewalt, wie sich herausstellte. Diese wurde den Banken in Recklinghausen vorgelegt. Als diese später das Geld zurückforderten, verloren sie den Prozess: Kein Tumult-schaden, meinte das Gericht, keine Sache des Staates.

Quellen:

Recklinghäuser Zeitung 1914-1918
Recklinghäuser Volkszeitung 1914-1918
Bogdal, Hermann: Rote Fahnen im Vest, 2 Bde., Essen 1983
Spethmann, Hans: Zwölf Jahre Ruhrbergbau, 5 Bde., Berlin 1928-1931
Lucas, Lucas: Märzrevolution 1920, 2 Bde., Frankfurt 1985
Archiv der Stadt Marl
Vestisches Archiv Recklinghausen
Westfälisches Wirtschaftsinstitut (WWA) Dortmund
Deutsches Historisches Museum, Berlin, www.dhm.de

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