Prägender Werksleiter
Leitung der Chemischen Werke Hüls AG 1938 – 1964
* 13. Dezember 1897 in Pforzheim
✝ 29. März 1967 in Marl
1925 Leiter der Primärstickstoffbetriebe der BASF in Oppau
1930-1935 Erprobung des Lichtbogenverfahrens in Baton Rouge, Louisiana
9. August 1938 erster Leiter der Produktion der Chemischen Werke Hüls AG
1945 Kommissarischer Geschäftsführer der CWH, eingesetzt durch die britische Militärregierung
1953 Vorstandsvorsitzender, seit 1948 Lehrauftrag an der Universität Münster
1957 Ehrensenator und Ehrendoktor der Universität Münster
1. Januar 1964 – 29. März 1967 Vorsitzender des Aufsichtsrates der CWH
Wie viele junge Männer meldete sich Paul Baumann schon als 17-Jähriger freiwillig zum Dienst an der Waffe im Ersten Weltkrieg, bei seiner Entlassung im Februar 1919 hatte der mit dem Eisernen Kreuz Erster und Zweiter Klasse ausgezeichnete Leutnant die Funktion eines Regimentsadjutanten inne – eine beachtliche Militärkarriere mit 21 Jahren.
Es folgte im März 1919 das Abitur und anschließend das Studium der Chemie und Physik in Karlsruhe und Heidelberg, wo er 1923 mit dem höchsten Prädikat summa cum laude promovierte.
Im BASF-Werk in Oppau (ab 1928), von 1930-35 in Baton Rouge, Louisiana, war er in einem Joint Venture der IG Farben mit Standard Oil in verantwortlicher Position am Durchbruch und der Weiterentwicklung des Lichtbogenverfahrens zur BUNA-Herstellung beteiligt – es sollte das Thema seines Lebens bleiben.
Ein entscheidender Karrieresprung eröffnete sich ihm 1938 mit der Produktionsleitung der neu gegründeten Chemischen Werke Hüls AG, das er als kriegswichtigen Betrieb, besonders zur Erzeugung synthetischen Kautschuks, BUNA, bis Kriegsende führte. Unbestritten große Verdienste erwarb er sich durch die Verweigerung des Sprengungsbefehls der SS im März 1945. Ebenso setzte er sich in beharrlichen Verhandlungen mit der britischen Militärregierung, die ihn nach Kriegsende zum Kommissarischen Leiter bestellt hatte, gegen die drohende Demontage und das BUNA-Verbot ein. Sein Einsatz trug maßgeblich zum erfolgreichen Wiederaufbau mit Produktumstellung, Gründung von Tochterfirmen und Erschließung neuer Märkte für chemische Rohstoffe aus Marl bei.
Seine wissenschaftliche und unternehmerische Leistung erbrachte er als Leiter eines für die Kriegswirtschaft wichtigen Industriebetriebes unter der Naziherrschaft ebenso ein wie in der Aufbauphase der Bundesrepublik. Die Tatsache, dass er nicht wie andere Repräsentanten der Großindustrie von der Besatzungsmacht entlassen wurde, lässt vermuten, dass er trotz Mitgliedschaft in der NSDAP (wohl erst seit 1939) nicht als überzeugter Anhänger des Hitlerregimes galt.
Sein wissenschaftliches Lebenswerk ist unbestritten die Weiterentwicklung des Lichtbogenverfahrens zur großtechnischen Reife, dem eigentlichen Beginn der Petrochemie. Neben seinem unternehmerischen Wirken, das sich auch in zahlreichen (Ehren) Ämtern manifestierte, wirkte Baumann ab 1948 auch als Lehrbeauftragter der Universität Münster, die ihm die Ehrendoktorwürde und den Titel des Ehrensenators verlieh. Zahlreiche Auszeichnungen aus der Wirtschaft, das Bundesverdienstkreuz und die Ehrungen der Stadt Marl – Verleihung der Stadtplakette und der Ehrenbürgerwürde 1964 sowie die Benennung einer Straße, die zum Chemiewerk führt – zeugen von der Anerkennung seiner Verdienste.
Auch als Mensch – unser Paul, unser Professor – mit süddeutschem Humor genoss er im Werk und in der Stadt große Sympathien. Bis heute gilt er als eine der prägendsten Persönlichkeiten der Marler Wirtschaftsgeschichte. I.B.
Quellenverzeichnis:
Der Lichtbogen, Werkszeitschrift der CWH Nr. 12, Jg.1957
Blick vom Hochhaus, Werkszeitung der CWH Nr. 5 und Nr. 8, Jg.1964
Brack, Ulrich / Mohr, Klaus (Hrsg): Neubeginn und Wiederaufbau. Marl in der Nachkriegszeit 1945-1949, Essen 1994
Lorentz, Bernhard / Erker, Lorentz: Chemie und Politik. Die Geschichte der Chemischen Werke Hüls 1938 bis 1979. Eine Studie zum Problem der Corporate Governance, München 2003