66 Porträts aus der Geschichte Marls

Marls Geschichte in 66 Lebensbildern
Die Geschichte Marls erscheint der flüchtigen Betrachterin / dem Betrachter kurz und deshalb mit ein paar Sätzen ausreichend beschreibbar. Dieser Eindruck ist falsch. Der plötzlich Aufstieg eines verschlafenen Heidedörfchens zu einer bundesweit (und darüber hinaus) bewunderten modernen Industriestadt wird begleitet von vielerlei Besonderheiten und getragen von bemerkenswerten Persönlichkeiten. Die Ereignisse der Marler Geschichte „passieren“ nicht, sie sind von Menschen gemacht.
Wer dahinter steht, sie ausgelöst oder sie begleitet hat, das zeigt sich als lohnenswertes Forschungsfeld, in dem sich schlaglichtartig Marls Geschichte beleuchten lässt. Die umfangreiche Recherche der Geschichtswerkstatt Marl ermöglicht eine angemessene Beurteilung und Einordnung. Insbesondere ging es um die Frage: Woher haben wir unser lokales Geschichts- und Menschenbild? Die Suche nach den Quellen stellte sich nicht selten als mühsam heraus und stieß bisweilen an Grenzen: landesweite Recherchen in Archiven, Lesen von Fachveröffentlichungen, Durchforsten von Sitzungsprotokollen, Suche in Zeitungsberichten, Gespräche mit Marlerinnen und Marlern, Kramen in Erinnerungen. Ein paar Daten waren schließlich aus Gründen des Persönlichkeitsrechts und des Datenschutzes nicht zu ermitteln. Vielfach wurden in die Biographien Hintergrundinformationen eingearbeitet, um Lebenswege und Entscheidungen verständlich zu machen. Marl, so zeigte sich schnell, wird nicht nur von der „großen Geschichte“ geprägt, sondern auch von Originalen, Anekdoten und kleinen Geschichten. Das Recherche-Ergebnis rückt manche Überlieferung gerade.
Diese Zusammenstellung Marler Menschen startet mit dem Beginn der Neuen Zeit und Judith von Loe, einer „sagenhaften“ Persönlichkeit. Erst mit dem 19. Jahrhundert verfestigt sich das Bewusstsein der Marler als Dorfgemeinschaft so sehr, dass sie Menschen und lokales Geschehen als Teil von Marl wahrnehmen. Das Ende des Beobachtungszeitraumes (Jahr 2000) kann man als willkürlich ansehen, es sichert eine gewisse Distanz zu Menschen und Ereignissen.
Marls Geschichte „leidet“ unter einer recht schmalen Verschriftlichung. Norbert Schüpp hat die wirtschaftliche Entwicklung „Von Dörfern zur Stadt“ Marl untersucht. Seine Arbeit, eine Dissertation von 1963, befasst sich erstmals wissenschaftlich mit der Geschichte Marls. Zahlen und kurz gefasste Fakten gibt es in Helmut Madynskis zweibändiger Chronologie, die mit dem Jahr 1975 endet. Später sind Teilaspekte (Rathaus, Schulen, NS-Zeit, Nachkriegszeit, Zuwanderung) Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen. Dazu kommen eine Reihe von Bildbänden und erzählende Einzeldarstellungen, die persönliche Erinnerungen bewahren.
Diese Arbeit fragt jetzt nach der Rolle der Menschen in Marl. Messlatte ist nicht das Verdienst um die Stadt. Ziel ist nicht das Setzen von Denkmälern, eher das Geben von Antworten auf die Frage: „Wer war das?“ Alle Darstellungen sind ähnlich umfangreich und stellen keine detaillierten Lebensbilder dar, sodass der Umfang kein Hinweis ist auf die geschichtliche Größe der Person. Die Reihenfolge im Buch orientiert an der Zeit, zu der ihr Wirken in Marl begann. Jede Persönlichkeit wird mit einem Porträt, einem Biogramm und einer Lebensbeschreibung dargestellt. Die 66 Lebensbilder geben damit einen facettenhaften Einblick in Marls Geschichts-Struktur.
Die Auswahl mag willkürlich erscheinen, zufällig. Sie spiegelt auch die Neugier der Autorinnen und Autoren wieder: Über wen lohnt es sich mehr zu wissen als das Altbekannte? Die Motive für die Forschung reichte vom persönlichen Interesse, von Neugier und beruflicher Nähe bis zum Fachwissen als Historiker. Dass der Anteil der Frauen-Biographien nicht ihrem Bevölkerungsanteil entspricht, ist nicht die Folge mangelhafter Arbeit. Es spiegelt vielmehr die Tatsache wieder, dass in den beiden hauptsächlich betrachteten Jahrhunderten Frauen nahezu keine Rolle im öffentlichen Leben spielten.
Diese biographische Galerie ist eine Sammlung wissenschaftsgeleiteter Texte und bietet damit ein fundierter Einblick in die Vielfältigkeit der Marler Geschichte. Sie hält Erinnerungen wach und ist ein Beitrag zum Gedächtnis der Stadt, ohne Denkmäler zu setzen. So ist ein Marler Geschichtsbuch besonderer Art entstanden.
Es gibt noch mehr „interessante“ Menschen, zu denen sich Geschichten erzählen lassen. Die Mitglieder der Geschichtswerkstatt werden weiter einsammeln.
Anbei eine kleine Auswahl unserer „Marler Menschen“