Eine Frau steht ihren Mann
Mitglied des Bundestags 1961 – 1972, CDU-Fraktionsvorsitzende in Marl

* 6. April 1906 in Neumark/Westpreußen
† 16. September 1994 in Bornheiml
1924 Abitur in Breslau
1925 – 1934 Studium der Philologie, Biologie, Chemie und Physik
1934 Erstes Staatsexamen am Provinzialschulkollegium Breslau
1935 Heirat mit Karl-Rudolf Jacobi
vor 1933 Eintritt ins Zentrum
1948 – 1970 Mitglied des Rates der Stadt Marl
1953 – 1956 Mitglied im Landschaftsverband Westfalen-Lippe
1961 – 1975 Mitglied des Rates des Amtes Marl
1961 – 1972 Mitglied des Bundestags
1965 – 1972 Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestags
nach 1972 Vorsitzende des Bundes Katholischer Deutscher Akademikerinnen
„Westfalen hatten wir nicht gekannt. (…) Wir waren Ostpreußen“, schrieb Maria Jacobi über sich selbst und ihre Ankunft als fast mittelloser Flüchtling in Marl im November 1945. Zweimal verlor sie kriegsbedingt ihre Heimat, musste sie mit Eltern und sieben Geschwistern neu anfangen. Genau dieser Verlust wurde zum inneren Antrieb in die Politik zu gehen und abermaliges Leid zu verhindern.
Die ersten Dekaden ihres Lebens waren unruhig. Von West- ging es nach Ostpreußen, später nach Breslau und Ludwigshafen. 1939 wurde ihr Mann als Chemiker nach Schkopau versetzt (Buna-Werke). Direkt nach Kriegsende verschleppten sie die Amerikaner mit anderen Familien aus dem Werk nach Westen, denn das know-how sollte den Sowjets im sich abzeichnenden Systemkampf nicht in die Hände fällen. Über Umwege fand ihr Mann im Herbst 1945 bei den Chemischen Werken Hüls neue Arbeit. Maria Jacobi reiste mit den Kindern nach.
Die ersten Monate in Marl waren eine schwere Zeit, denn die erneute Vertreibung ging an die innere Substanz. Marl wurde neuer Wohnort und der CDU-Ortsverband Drewer ihre politische Heimat. Dass sie als Frau den Weg in die Politik suchte war vielen unbequem. Ihre Nominierung für den Stadtrat 1948 löste eine Palastrevolution aus, doch Scheu oder Zurückhaltung waren Jacobis Sache nicht. Sie zog neben einer KPD-Kandidatin als einzige Frau ins Stadtparlament ein und blieb für 22 Jahre. Frauen sollten Verantwortung für sich und ihre Gesellschaft übernehmen, davon war sie überzeugt. Ihre zuweilen harte Haltung und der gekonnte Umgang mit dem Wort bescherten ihr Ansehen und Respekt. Schnell wurde sie Fraktionsvorsitzende und somit im rot regierten Marl zur Oppositionsführerin. Als Gegenpol zum autoritär regierenden Bürgermeister wusste sie zu bestehen. Schlagabtausche zwischen ihr und Heiland waren selten zimperlich, aber Ausdruck charakterstarker Persönlichkeiten. Maria Jacobi setzte Schwerpunkte in der Wohnungs- und Schulpolitik und engagierte sich für die Vertriebenen. Unvergessen waren die Besuche im Hülser Hochbunker am Weihnachtsfest, wo sie mit Landsleuten aus Schlesien und Pommern feierte. Maria Jacobi war zeitlebens umtriebig und erreichte hohe Positionen ohne nach ihnen zu gieren. Ein Landtagsmandat lehnte sie ab, wollte lieber Zeit mit den Kindern verbringen. 1961 ging es nach Bonn. Sie wurde Mitglied im Bundestag und unterhielt gute Kontakte zu Helene Weber.[1] Manche Parlamentsentscheidung kritisierte sie scharf, lehnte eine allzu pluralistische Gesellschaft auf Kosten christlicher Grundsätze ab. Ihr Glaube war ihre Leitmaxime. Dass Politik zuweilen auch an Grenzen stößt, erlebte sie als Vorsitzende des Petitionsausschusses, den sie sieben Jahre leitete.
Anerkennend erhielt sie 1972 das Große Verdienstkreuz. Die Marler CDU benannte nach ihr einen Preis für ehrenamtliches Engagement und gab ihn später wieder auf. Was bleibt ist die Ehrung in Form der „Maria-Jacobi-Straße“ in Drewer – dort, wo sie 1945 eine neue Heimat fand. Matthias Pothmann
[1] Helene Weber (1881 – 1962) war eine Zentrums-, später CDU-Politikerin und gilt als eine der „Mütter des Grundgesetzes“. Sie war bereits vor dem Krieg mit Jacobis Vater befreundet.
Quellenverzeichnis:
Maria Jacobi (Marl), in: Dt. Bundestag (Hrsg.): Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Aufzeichnungen und Erinnerungen Band 4, Boppard am Rhein 1988, St. 71-88
Maria Jacobi, geb. Buchholz: XLVII Jugend im Kreis Löbau und in Neumark/Westpreußen geboren, in: Heimatbuch für den Kreis Neumark in Westpreußen bis 1941 Kreis Löbau (Westpr.), Wuppertal 1979 (Selbstverlag)
Deutscher Bundestag (Hrsg.): Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages. 4. Wahlperiode, Darmstadt 1961
Deutscher Bundestag (Hrsg.): Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages. 5. Wahlperiode, Darmstadt 1965