Marls Baumeister
Stadtplaner 1954-1965
* 4. April 1913 in Diesen/Neumark (Brandenburg)
✝ 15. August 1997 in Hamburg
1931-1936 Studium der Architektur TH Stuttgart und TH Berlin
1939 bis 1942 Leitender Architekt für die Reichswerke Hermann Göring
1942 bis 1945 Kriegsteilnahme, danach Privatdozent an der TH Hannover
1947 Promotion („Aus der Geschichte des Wiederaufbaus zerstörter Städte“)
1951 Habilitation („Fußgängerwege in der Innenstadt“)
1954-1965 Stadtplaner in Marl, danach in Hamburg tätig
Die Ideen eines unbekannten Architekten lösten in Marl Missfallen und Begeisterung aus. Die Pohlbürger wünschten sich eine münsterländisch geprägte Stadtlandschaft und hatten sich für ein Volksbildungsheim einen unauffälligen Zweckbau im Stil des bereits stehenden Arbeitsamtes und Amtsgerichtes ausgesucht. Doch Bürgermeister Rudi Heiland setzte im Oktober 1953 einen Baustopp durch und präsentierte den 40-jährigen Dr.-Ing. habil. Günther Marschall und seinen Plan eines verschachtelten Flachbaus. Das war der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Architekten und den Bürgermeister, der Kern streitender Reibereien mit der Bauverwaltung und der Ausgangspunkt einer bundesweiten Bewunderung für mutige Bauentscheidungen und zukunftsweisende Planungen.
Elf Jahre lang (1954 bis 1965) war Marschall der einzige deutsche Stadtplaner, der nicht bei der Stadt angestellt war. Empfohlen hatte ihn Prof. Hebebrand, der Architekt der im Juli 1951 beschlossenen Paracelsus-Klinik. Marschall entwickelte Vorschläge nach Heilands Ideen und reichte Skizzen zur weiteren Bearbeitung an die Bauverwaltung weiter. So musste sich der Bürgermeister nicht mit einem Verwaltungsapparat auseinandersetzen, deren unmittelbarer Vorgesetzter er nicht war, und der Stadtplaner konnte ebenso unabhängig die Ideen entwickeln. Sie konnten sich mit der Gewalt neuer Ideen befassen und nicht mit den Problemen und Grenzen der Umsetzung. Die Verwaltung wurde der verlängerte Arm des Teams Heiland/Marschall.
Gleichzeitig mit dem VHS-Plan (später als „insel“ berühmt) stellte Marschall seine Stadtplanung vor, für die er 1953 den Auftrag erhielt. Sein Gutachten von 1957 („Marl – Geburt einer Großstadt“) wurde Grundlage der weiteren Planung. Er verwarf den Rappaport-Plan von 1928 und rechnete mit einem Anwachsen auf 150.000 Einwohner. Marl teilte er in drei ost-westlich verlaufenden Zonen (Industriezone, Grünzone, Wohnzone)
Mit seiner beherrschenden Stellung im Marler Baugeschehen prägte Marschall die Stadt. Er hatte Teilbebauungspläne für Marl aufzustellen. Daneben war er Architekt des Jugendheimes im Hagenbusch (1963), der Wohnsiedlung Breddenkamp (1957) und der Nonnenbusch-Siedlung, des Theatercafés Medaillon (1960), der Volksschule Kampstraße (1965), des Jugendheims in Drewer und des Gemeindezentrums in Polsum. Er war Mitarbeiter am Hallenbad, von ihm stammt die Erweiterung der Berufsschule, das Geschäftshaus und das Wohnhaus des Bürgermeisters, ein Entwurf für das neue Rathaus (1958) und für eine fußläufige Hülsstraße als Kaufstraße (1962). Außerdem war er Architekt vieler weiterer Bauten in ganz Deutschland, wie eines der ersten Wohnkomplexe in der Neuen Stadt Wulfen (1966), der Matthäus-Kirche in Gelsenkirchen-Buer (1958) oder der Vertretung des Landes NRW beim Bund in Berlin.
Marschall galt als zurückhaltender Mann, der nicht den Glanz des öffentlichen Lobes suchte. Das überließ er dem Bürgermeister. Nach dem Tod Heilands im Mai 1965 erklärte Marschall, die Serie seiner Jahresverträge nicht fortsetzen zu wollen. G.E.
Quellenverzeichnis:
Spital-Frenking, Oskar / Schwarz, Michael: Das Adolf-Grimme-Institut in Marl. Bestandsanalyse und Gutachten zu Nutzungs- und Instandsetzungskonzepten, Marl 2002
Haupt- und Finanzausschuss Stadt Marl 1.12.1952-21.2.1955, 14.07.1967
Rat des Amtes Marl 08.12.1953; 22.10.1965; 09.11. und 13.12.1965
Rat der Stadt Marl 20.12.1954, 29.03.1956, 06.04.1956, 24.04.1959; 17.07.1959; 22.10.1965.
Neueste Zeitung vom 21.10.1953.
Kleinschulte, Stefan: Das Rathaus in Marl. Zur Bedeutung der Architektur für die politische Sinnstiftung auf kommunaler Ebene (Diss. Bochum 2003).
Marschall, Günther: Ziele der Planung, in: Buekschmitt, Justus (Hrsg.): Marl – Geburt einer Großstadt, Hamburg [1957].
Marschall, [Günther]: Planungsaufgaben im Rahmen des Stadtaufbaus von Marl, in: Neuma (Hrsg.): 10 Jahr Aufbauarbeit in Marl, Marl [1961].
Marl 1958/Entwurf Günther Marschall, in: architektur wettbewerbe, Sonderheft Rathauszentrum Marl, Stuttgart 1958.
Abkürzungen:
Neuma Neue Marler Wohnungsgesellschaft
StAMa Stadtarchiv Marl
VHS Volkshochschule