Judith von Loe

Keine „Wilde Hummel“

Adlige Bewohnerin auf Haus Loe

* 1651 Geburt
✝ 1723 Grabstein an der evangelische Kapelle in Wischlingen

1664 Vater Dietrich, seit 1654 Herr von Loe, stirbt
1671 Judith bei der evangelischen Gemeinde Wesel
1676 Judith will nicht ins katholische Stift Wietmarschen
1684 Mutter Ida, Herrin von Loe, stirbt
1705 Bruder Dietrich, Herr von Loe, stirbt
1706 Klage um das Erbe Haus Loe
1716 Judith wird entschädigt
1720 Judith wird Patin in Marl

Viele Marler kennen Judith von Loe als „Wilde Hummel“. Die zahlreichen Fassungen der Sage haben alle dieselbe erste Quelle und sind alle falsch.

Eine kurze Übersicht der Legenden über sie:

Es habe eine schwedische Besatzung auf Haus Loe gegeben, Judith sei mitschuldig am Tod des Vaters gewesen, sie sei mit einem Schweden durchgebrannt und spurlos verschwunden. Später habe sie das Schloss besetzt, sie sei geächtet worden und sei als Eremit in der Eifel verstorben. Belegbar ist:

Um 1651 wurde Judith geboren. 1650 zog die schwedische Besatzung des Vestes mit 10000 Talern „Entschädigung“ ab. Es kann also nicht sein, dass sie mit einem schwedischen Offizier durchgebrannt ist.

Ihre Mutter war Ida Freifrau von Gent (NL) und Oyen, geboren 1635, evangelisch.

1654 wurde der Vater Judiths, Dietrich Herr auf Haus Loe. 1664 starb Vater Dietrich, Mutter Ida wurde Herrin von Haus Loe.

1671 nahm Judith von Marl aus in Wesel bei der evangelischen Willibrord-Gemeinde am Abendmahl teil. 1675/76 sollte Judith, immer noch unverheiratet in Marl, in das katholische Damenstift Kloster Wietmarschen, Fürstbistum Münster, eintreten. Judith hätte katholisch werden müssen. Sie lehnte das schriftlich, von Marl aus, ab, ihre Schwester Maria ging dorthin. Judith blieb in Marl. 1684 starb Mutter Ida – wahrscheinlich an Brustkrebs.

Herr von Haus Loe wurde Dietrich, Bruder von Judith. Dietrich starb 1705. Damit gab es keinen männlichen Erben mehr.

Schwester Wilhelmina hatte einen Christoph Paul von Wiedenbrück geheiratet, der bereits 1698 gestorben war. Durch Wilhelminas Heirat und die Geburt ihrer Söhne wurde die Familie Wiedenbrück Nachfolgerin Schloss Loe.

Ab 1705 gab es einen Rechtsstreit mit der Familie Wiedenbrück um die Nachfolge. Judith war nie verheiratet, Schwester Maria lebte im Damenstift, Schwester Ida hatte den Johann L.

von Koppenstein, Marschall von Sachsen-Meinigen, evangelisch, geheiratet. Der Prozess dauerte bis 1716 und endete vor dem Reichskammergericht mit Entschädigungen für Judith und ihre Schwester. Judith hatte also Haus Loe nicht besetzt, sie wurde nicht geächtet und war auch nicht spurlos verschwunden. Mindestens 1705, 1716 und 1720 war Judith als Patin in Marl, zuletzt bei der Taufe von Zwillingen des Sohnes Christoph von Wilhelmina. Judith starb am 3.8.1723 bei der evangelischen Familie ihrer Tante Elbrecht, die in Westhausen/Wischlingen verheiratet war. Ihr Grabstein befindet sich dort an der ersten evangelischen Kapelle in Westfalen. Judith war Zeit ihres Lebens evangelisch.

Die oben erwähnten Legenden beziehen sich alle auf die „die wilde und gewalttätige Hummel Judith“, die erst 1863 entstanden ist. Diese war eine Erfindung eines Enkels der letzten Herrin des Hauses Loe. Auf ihn bzw. seine „Familiengeschichte“ angeblich von 1810 berufen sich auch die Autoren des Marler Jahrbuchs 1987. Allerdings wurde er erst 1812 in Hamm geboren…                                                                                               Klaus Mohr

Quellenverzeichnis:

Abendmahlsregister vom 29.3.1671 (evangelische Willibrord-Gemeinde Wesel, Ausschnitt; Stadtarchiv Wesel: „ein Abgang der Person ist nicht gemeldet…“)
Ernennung der Judith von Loe zu Loe, erste Inhaberin der Präbende und ihre Verzichtleistung, in: Vereinigte Westfäl. Adelsarchive, Familienpräbenden, Nr. Ass.Pb – 134
Esch, Theodor: Das Haus Loe und seine früheren Besitzer, Vestische Zeitschrift, Bd. 20, 1910
Küper, Ferdinand: Geschichte der Pfarre Marl, Bottrop 1934
Madynski, Helmut: Marl – Frühgeschichte bis 1914, Marl 1993
Pfeiffer, Horst/Winter, Anton: Geschichte des Hauses Loe, in: Marler Jahrbuch 1987, S. 9 ff.
Pollberg, Rolf: Marl in alten Ansichten, Zaltbommel 1985
Poten, Bernhard von: „Krane, Friedrich Freiherr von“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 17 (1883), S. 32-33 (https://www.deutsche-biographie.de/ pnd121821447.html #adbcontent)
Schäpers, Heinrich, Bilder aus der Geschichte Marls, Marl 1966, S. 30-37
Schäpers, Heinrich: Maria von Krane, in: Vestischer Kalender, Jg.40.1968, S. 58-61
Stromberg, Christian von: Nützlicher Rheinischer Antiquarius, Mittelrhein, Coblenz 1863, S. 585-593
Wülbecke, Johann vor der: Haus Loe. Seine Geschichte und seine Wiederentdeckung im Jahre 1968, in: Festschrift Frentroper Schützen,1969, S.73-81
Sonderbeilage zur Festwoche der Stadtwerdung, National Zeitung vom 26.09.1936
WAZ vom 14.09.1973, 10.09.1974, 27.06.1975, 22.08.1979, 15.07.1980, 10.07.1980, 01.09.1982

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