Ehefrau und Vorkämpferin
Mitglied des Gemeinderats von 1919-1924
* 14. Mai 1880 Anna Bertha Rößger in Obersteinbach, Kreis Leipzig
† 17. Januar 1957 in Marl
2. März 1919 bis 4. Mai 1924 Mitglied der Gemeindevertretung (SPD)
Sie gehörte zu den ersten Frauen, die in Marl aus dem traditionellen Gesellschafts-Klischee ausbrachen und – an der Seite ihres Ehemanns – einen Platz für Frauen in der Politik erkämpften. Gemeinsam mit ihm zog sie 1919 – als einzige SPD-Frau – in die Gemeindevertretung ein.
Guido und Anna Heiland hatten erst spät zusammengefunden. Guido Heiland war 1912 mit seiner damaligen Frau Clara (Dallabrida) und drei Kindern aus Sachsen nach Marl gekommen, um hier wieder im Bergbau zu arbeiten. Sie starb nach der Geburt der Tochter Helene. Anfang 1913 reiste Guido Heiland zurück nach Hohndorf, um von dort seine große Liebe (wie er später betonte) abzuholen. Anna Rößger brachte ihre Tochter Martha (geboren Juli 1900) mit. Am 20. Dezember 1913 heirateten sie.
Die beiden einte auch die Politik. Anna Heiland trat wie ihr Mann 1919 für die SPD zu den Kommunalwahlen an und zog am 2. März gleichzeitig mit Elisabeth Fasel (Zentrum) in den Gemeinderat ein. Beide arbeiteten in der Armenkommission. 1922 rückt Frau Bach (Zentrum) nach. Die Verständigung der drei Frauen zog den Unmut der konservativen Recklinghäuser Volkszeitung auf sich, die der SPD im November 1919 „Parteiwirtschaft“ vorwarf: „Man braucht nur Gemahlin eines Führers zu sein, dann ist man mehr als andere Frauen befähigt, ins Parlament zu ziehen“, giftete sie. Für die SPD war die Zusammenarbeit der Frauen „unmöglich“: Sie hielten zusammen „wie Pech und Schwefel“ klagte 1956 Guido Heiland in einem Interview. Die Parteien warfen ihnen wechselseitig vor, für die andere Partei einzutreten. Die Konsequenz: Alle wurden für die Wahl 1924 nicht wieder aufgestellt, obgleich Zentrum und SPD sich in Aufrufen direkt an die Frauen wandten. Die SPD erinnerte daran, dass sie den Frauen zu Wahlrecht und Gleichberechtigung verholfen habe. In die Gemeindevertretung zogen dann nur zwei Frauen der KPD ein.
Politisches Engagement konnte lebensgefährlich sein. Auf einer nicht-öffentlichen abendlichen Sitzung im Gemeindegasthaus Dees am 3. Dezember 1919 versuchten mehrere schwer bewaffnete Soldaten des Freikorps Pfeffer, Heiland zu verhaften. Es kam zu einer Schlägerei, in der Anna Heiland handfest ihrem Mann zur Flucht verhalf.
Als ihr Mann 1933 vor den Angriffen der Nazis nach Holland flüchtete, konnte sie zwar in der Verwaltung durchsetzen, dass ein ausstehender Lohn angewiesen wurde, ausgezahlt wurde er nicht, weil der Empfänger sich im Ausland aufhielt. Persönlich holte sie bei ihrem Mann in Holland die Unterschrift für den Verkauf des Hauses (an ihren Schwiegersohn) ab. Zunächst lebte sie von der Wohlfahrtsunterstützung, ab 1943 arbeitete sie dienstverpflichtet auf den CWH. Im Juli 1945 beantragte sie Wiedergutmachung für Guido Heiland und erhielt vom Amt eine Vorschusszahlung von 5000 RM.
Als im September 1945 die SPD die Wiederzulassung der Arbeiterwohlfahrt beantragt, kündigt sie Anna Heiland als Leiterin an.
Guido Heiland kam 1957 nicht über den Tod seiner Frau hinweg. Er starb zwei Monate später bei einem Verkehrsunfall. Den Autofahrer traf keine Schuld.
G.E.
Quellenverzeichnis:
- Wiedergutmachungsakte Guido Heiland
- Aktenvermerke Bürgermeister Paul Eichmann
- Protokoll der Gemeindevertretung vom 03.12.1919
- Interview Guido Heiland mit Bert Donnepp am 16.12.1956
- Recklinghäuser Volkszeitung und Volksfreund vom 06.12.1919